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Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Merkel und dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao

2011-06-29
 
(Die Ausschrift des fremdsprachlichen Teils erfolgte anhand der Simultan- beziehungsweise der Konsekutivübersetzung)
 
BK'IN DR. MERKEL: Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass wir heute nicht nur den Ministerpräsidenten aus China, Herrn Wen Jiabao, sondern auch eine Vielzahl chinesischer Minister zu den ersten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen zu Besuch haben. Sie haben eben gesehen, dass wir eine Vielzahl von gemeinsamen Abkommen sowohl zwischen den Regierungsvertretern als auch zwischen Wirtschaftsvertretern unterzeichnet haben, und haben damit einen kleinen Eindruck von der hohen Intensität unserer bilateralen Beziehungen bekommen.
 
Man kann sagen, dass wir ein vielfaches Band an Verbindungen zwischen Deutschland und China aufgebaut haben und dass sich das in der Gestaltung des heutigen Tages auch deutlich gemacht hat - sowohl in dem Deutsch-Chinesischen Wirtschafts- und Technologieforum als auch in den Regierungskonsultationen als auch in der Unterzeichnung der Verträge. Außerdem hatten wir gestern Abend die Gelegenheit eines ausführlichen bilateralen Meinungsaustausches.
 
Mit diesem Besuch des chinesischen Ministerpräsidenten wird ein neues Kapitel in den deutsch-chinesischen Beziehungen aufgeschlagen, die strategischer Natur sind. Dieses neue Kapitel zeigt in Form der Regierungskonsultationen auch, dass es einen engen, wiederholbaren und auch abrechenbaren Arbeitsaustausch gibt und dass wir uns auch immer wieder über die Ergebnisse informieren werden.
 
Die Regierungskonsultationen haben gezeigt, dass es eine große Breite von Beziehungen und Zusammenarbeiten gibt, die ich gar nicht alle nennen kann. Ich möchte die Gründung einer Plattform Elektromobilität hervorheben, an der verschiedene Ressorts beteiligt sind. Ich möchte des Weiteren das eindeutige Bekenntnis der chinesischen Seite hervorheben, die kleinen und mittleren Unternehmen stärker in die Kooperation mit einzubeziehen. Mit Blick auf die Elektromobilität möchte ich außerdem noch hervorheben, dass wir Modellregionen gründen: in Deutschland drei Regionen, nämlich Rhein-Ruhr, Bremen-Oldenburg und Hamburg, und auch in China drei solche Regionen, nämlich Wuhan, Dalian und Shenzhen.
 
Es hat sich heute gezeigt, dass es eine sehr intensive Zusammenarbeit im Bereich der Normung sowie auch im Bereich des Verbraucherschutzes und der Landwirtschaft gibt. Klassisch ist schon die Zusammenarbeit im Wissenschafts- und Forschungsbereich. Im Anwachsen begriffen ist gerade auch die Zusammenarbeit im Bereich des Wohnungsbaus. Wir haben heute gelernt: In China werden alles in allem in jedem Jahr 20 Millionen neue Wohnungen gebaut. Das heißt, das Thema Energieeffizienz und das Thema neue Baumethoden haben hier eine ganz besondere Bedeutung. Wir haben auch sehr viel über die Urbanisierung in China gesprochen und konnten hier auch als Kabinettsmitglieder von deutscher Seite eine ganze Menge lernen über das, was in China zurzeit vor sich geht.
 
Wir haben gestern in unserem bilateralen Gespräch natürlich auch die Gesamtheit der internationalen Probleme angesprochen; das haben auch die Außenminister heute noch einmal getan. Wir haben uns auch dafür ausgesprochen, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und China, aber auch die Beziehungen zwischen Europa und China wachsen. Wir haben natürlich auch über die Situation des Euro gesprochen. Ich freue mich ausdrücklich, dass Ministerpräsident Wen Jiabao noch einmal gesagt hat, dass auch China die Bedeutung des Euro als sehr hoch einschätzt und ein massives Interesse an einem stabilen Euro hat. Ich habe meinerseits versichert, dass Deutschland alles dafür tun wird, dass die Wettbewerbsfähigkeit aller Euro-Mitgliedstaaten wächst, wir aber gleichzeitig untereinander das notwendige Maß an Solidarität zeigen.
 
Wir haben über den Rechtsstaatsdialog gesprochen, der schon eine zehnjährige Dauer hat, und haben darüber gesprochen, dass es hier Felder gibt, in denen wir eindeutige Fortschritte gemacht haben. Ich denke da zum Beispiel an den Patentschutz und an den Schutz des geistigen Eigentums. Es gibt aber auch Themen, bei denen wir noch viel zusammenarbeiten müssen und noch eine weite Wegstrecke vor uns haben - dabei denke ich natürlich auch an die Durchführung rechtsstaatlicher Verfahren. Insofern ist es gut, dass dieser Rechtsstaatsdialog fortgesetzt wird.
...... 
Wir haben über die kulturelle Zusammenarbeit gesprochen. Nächstes Jahr wird es 40 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und China geben. Wir freuen uns sehr, dass China ein Deutschlandjahr bei uns anbieten wird. Ich glaube, dass wir hier eine sehr große Intensivierung unserer Beziehungen haben.
 
Insgesamt möchte ich mich ganz herzlich bedanken. Wir haben mit diesem Besuch von vielen Ministern und der chinesischen Regierungsdelegation hier in Deutschland einen neuen Schritt gemacht. Wir haben festgestellt, dass wir beide mittwochs Kabinettssitzungen haben - das haben wir gar nicht abgesprochen, aber das scheint in Deutschland und in China am gleichen Tag zu sein. Dieses heutige Treffen hat dazu beigetragen, dass wir uns sehr viel besser kennengelernt haben. Wir werden das intensiv fortsetzen, denn Deutschland und China wollen mit diesem Tag auch ein Stück weit zeigen, wie neue Formen der Zusammenarbeit ausprobiert werden können.
 
Der Ministerpräsident hat heute Früh gesagt - und das hat mich sehr beeindruckt -: Eigentlich sind wir an zwei Enden eines großen Kontinents: China im Osten, Deutschland im Westen. Es ist schön, dass wir heute diese Zusammenarbeit hatten.
 
Herzlich willkommen noch einmal Ihnen und Ihrer ganzen Delegation!
 
MP WEN: Liebe Freunde aus der Reihe der Medien, schönen guten Tag! Die Etablierung des Mechanismus der chinesisch-deutschen Regierungskonsultationen habe ich mit Ihnen, Frau Merkel, vereinbart. In der Geschichte der Beziehungen zwischen China und Deutschland beziehungsweise Europa ist dies ein Pionierunternehmen.
 
Die gerade zu Ende gegangene erste Konsultationsrunde war auf beiden Seiten stark besetzt und hatte breite Themen zum Gegenstand. Sie verlief hocheffizient und ergebnisorientiert und ist von großen Erfolgen gekrönt. Seit neun Jahren bin ich Chinas Ministerpräsident. Dies ist für mich das allererste Mal, dass mich 16 chinesische Minister auf meiner Reise begleiten.
 
Beide Seiten haben insgesamt gut 20 Kooperationsdokumente unterzeichnet beziehungsweise veröffentlicht. Wir haben darüber hinaus auch Geschäftsverträge in einer Größenordnung von über 15 Milliarden US-Dollar vereinbart. Ich möchte mich bei Ihnen, Frau Merkel, für Ihre wichtige Rolle dabei bedanken. Die fruchtbare Arbeit der Minister auf beiden Seiten weiß ich zu schätzen.
 
Der Erfolg der ersten Konsultationsrunde demonstriert die feste Entschlossenheit und Zuversicht unserer beiden Staaten, von China und Deutschland, mit Weitblick verstärkt zusammenzuarbeiten und eine gemeinsame Entwicklung anzustreben. Das bedeutet eine Vertiefung der bilateralen Beziehungen und bedeutet auch neue Impulse für diese Beziehungen. In meinem Schlusswort habe ich auch betont, dass China in Deutschland einen ganz wichtigen strategischen Partner sieht. Der strategische Charakter unserer bilateralen Beziehungen wird nur zunehmen, nicht jedoch abnehmen. Das liegt in unserem beiderseitigen Interesse und kommt der ganzen Welt zugute.
 
Die ergebnisorientierte Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland hat gute Aussichten. Beide Seiten sollten daher ganz intensiv zusammenwirken an der Umsetzung wichtiger Maßnahmen wie zum Beispiel der Etablierung der strategischen Partnerschaft im Bereich Elektromobilität, der Stärkung der Zusammenarbeit zwischen KMUs, der Gründung einer Allianz für Berufsbildung oder einer Kommission für Normung. Wir wollen darüber hinaus auch eine chinesisch-deutsche Plattform für lebenswissenschaftliche Innovationsforschung begründen. Das alles sind ganz wichtige Maßnahmen. Auf diese Art und Weise wollen wir unsere ergebnisorientierte Zusammenarbeit auf ein noch höheres Niveau heben.
 
Es gibt Unterschiede zwischen China und Deutschland in Bezug auf Geschichte, Kultur und das politische System. Hinzukommt, dass wir uns in unterschiedlichen Entwicklungsstadien befinden. In manchen Fragen sind wir nicht immer der gleichen Auffassung, aber ich glaube, wichtiger ist, dass wir uns gegenseitig respektieren, uns gleich behandeln und nach Gemeinsamkeiten suchen bei Hintanstellung von Unterschieden. Durch Kontakte auf hoher Ebene, verschiedene Dialogmechanismen oder -formate und intensiven Kulturaustausch können wir uns, glaube ich, besser verstehen.
 
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in den letzten Jahren haben die chinesisch-deutschen Beziehungen ständig neue Stufen erreicht. Das bringt unseren beiden Staaten und beiden Bevölkerungen enorme Vorteile. Dies wirkte sich auch äußerst positiv auf den Wandel der internationalen Lage aus. China hofft von ganzem Herzen, gemeinsam mit Deutschland einen Weg zu finden und einzuschlagen, auf dem große Länder einander respektieren und eine Win-win-Situation herbeiführen. Wir wollen gemeinsam mit Ihnen ein friedliches, kooperatives und harmonisches 21. Jahrhundert aufbauen.
 
Seit ich Chinas Ministerpräsident bin, bin ich jetzt schon zum fünften Mal zu Besuch in Deutschland. Deutschland hat eine hochentwickelte Wirtschaft, und die Deutschen sind gründlich und sachlich. Diese Eigenschaften und die hochentwickelte Wirtschaft der Deutschen haben mich tief beeindruckt. Ich bin der festen Überzeugung, dass China und Deutschland, diese beiden großen Nationen, gute Partner in der Zusammenarbeit sein können. Daher lade ich Sie, Frau Bundeskanzlerin Merkel, zum abermaligen China-Besuch noch in diesem Jahr ein. Unsere Freunde aus der Reihe der Medien lade ich ebenfalls ein, öfter oder oft nach China zu reisen und dadurch weiter zu einem besseren Verständnis und einer verstärkten Zusammenarbeit zwischen unseren beiden Völkern beizutragen.
 
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
 
Frage: Frau Bundeskanzlerin, Deutschland spielt in der Europäischen Union eine sehr wichtige Rolle. Deutschland ist gerade auch der größte Handelspartner Chinas. Unter allen führenden Politikern der Europäischen Union haben Sie China am meisten besucht. Wie wird Deutschland in Zukunft seine Rolle in China wahrnehmen, um die chinesisch-europäischen Beziehungen noch intensiver und ergebnisvoller zu gestalten?
 
BK'IN DR. MERKEL: Ich habe China immer sehr gerne besucht und werde das auch in Zukunft tun. Wir haben auch innerhalb der Europäischen Union schon des Öfteren über unsere Zusammenarbeit mit China diskutiert. Wir arbeiten daran, dass alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind, dass China den Status einer Marktwirtschaft bekommen kann. Das habe ich auch immer wieder mit Premierminister Wen besprochen. Wir werden auch weiter daran arbeiten, denn das wäre ein gutes Zeichen, wenn dann alle Bedingungen erfüllt sind.
 
Insgesamt ist ganz Europa bewusst, dass die strategische Zusammenarbeit mit China von allergrößter Bedeutung für uns ist. Deshalb glaube ich, dass Deutschland ein Motor sein kann, wenn es um die Verbesserung und Intensivierung der europäisch-chinesischen Beziehungen geht.
 
Frage: Herr Ministerpräsident, Sie haben sich zuversichtlich zur Zukunft des Euro und zur Lösung der Probleme in der Eurozone geäußert. Was genau heißt das? Heißt das, dass China verstärkt in die Eurozone und dort nur in die starken Länder wie Deutschland investieren will, oder ist Ihr Land auch bereit, in Staatsanleihen und Industrien in schwächeren Euroländern zu investieren?
 
MP WEN: (Anfang wurde nicht übersetzt)
 
Wir haben schon einiges gemacht. Aber ich muss auch sagen: Einige der wichtigen Volkswirtschaften haben eine sehr hohe Arbeitslosigkeit, die auch nicht abnimmt, weil die wichtigsten Währungen auf der Welt Schwankungen aufweisen. Das hat auch dazu geführt, dass es Schwankungen bei den Preisen für die wichtigsten Materialien und Rohstoffe gibt. Inflation ist nicht das Problem eines bestimmten, einzelnen Landes, sondern sie ist ein weltweites Problem.
 
In Europa gibt es auch einige Staaten, in denen es zu Staatsschuldenkrisen gekommen ist. Das zeigt eigentlich, dass sich die Weltwirtschaft nach der internationalen Finanzkrise immer noch in einer Phase der Instabilität und der Unsicherheit befindet.
 
Aber ich möchte die Frage des Journalisten beantworten, warum ich so großes Vertrauen in Europa haben:
 
Erstens. Europa hat solche Staaten wie Deutschland, die eine hohe Wirtschaftskraft haben, die gut entwickelt sind und die eine gut entwickelte reale Wirtschaft haben.
 
Zweitens. Europa hat eine hohe Wissenschafts- und Technologiekraft sowie sehr gute Fachkräfte, sehr gutes Humankapital.
 
Drittens. Die Schwierigkeiten, die hier in Europa aufgetreten sind, sind nur von vorübergehender Natur. Wenn man die Reformen und Anpassungen im Finanzwesen vorantreibt, dann kann man diese Schwierigkeiten schrittweise überwinden.
 
In einer solchen Situation hat China bereits in unterschiedlichen Foren immer wieder ausgedrückt, dass wir Europa unterstützen. Wenn Europa Schwierigkeiten hat, dann strecken wir die helfende Hand aus. Wir haben auch gesagt, dass wir Vertrauen in die europäische Wirtschaft und in den Euro haben. Wir haben auch ausgedrückt, dass wir einige Länder je nach Bedarf dadurch unterstützen, dass wir in gewissem Umfang ihre Staatsanleihen kaufen. Das Ziel ist dabei, die europäische Wirtschaft in ihrem Wiederaufschwung zu stabilisieren und dazu beizutragen, dass sie sich weiter entwickelt. Die Entwicklung der europäischen Wirtschaft ist nützlich und förderlich für die gesamte Welt. Das ist die chinesische Haltung. Vielen Dank.
 
Frage: Ich habe eine Frage an Ministerpräsident Wen. Anfang 2009 haben Sie eine Europareise gemacht, und zwar vor dem Hintergrund der schweren Auswirkungen der internationalen Finanzkrise. Man bezeichnete diese Reise als eine Reise der Zuversicht. Nach zwei Jahren sind Sie wieder einmal nach Europa gereist. Dieses Mal haben Sie Ungarn, Großbritannien und Deutschland besucht. Was ist Ihr größtes Gefühl? Sind Sie mit verstärkter Zuversicht nach Europa gekommen?
 
MP WEN: Im Jahre 2009, im Frühling, war es in Europa sehr kalt. Ich war direkt von Davos nach Deutschland gekommen. Ehrlich gesagt: Wie groß die Auswirkungen der internationalen Finanzkrise sein könnten, dessen waren wir uns damals alle nicht so sicher. Damals haben wir beide in Ihrem Büro, Frau Bundeskanzlerin, am Fenster gestanden und gemeinsam über die Frage nachgedacht: Können wir die Wirtschaftslage wirklich meistern? Können wir der Wirtschaft schnell wieder auf die Beine helfen? – Ich erinnere mich sehr gut daran, dass das Wort, das ich damals am häufigsten gesagt habe, "Vertrauen" lautete. Vertrauen ist wichtiger als Währung, als Gold. Vertrauen ist das Allerwichtigste überhaupt.
 
Auf dieser Europareise ist es ganz sommerlich; das Wetter ist nicht mehr so kalt. Überall sehe ich fröhliche Szenen, schöne Landschaften, und die Atmosphäre des Leidens hat abgenommen. Aus der Mimik und der Haltung der Bevölkerung habe ich zur Kenntnis genommen, dass wir durch zweijährige Anstrengungen Europas der Finanzkrise Herr geworden ist. Die Wirtschaft ist zurzeit sehr stabil und entwickelt sich immer weiter nach vorne.
 
Aber es gibt auch noch Schwierigkeiten; gerade habe ich sie schon angesprochen. Die Schwierigkeiten in manchen Ländern sind noch sehr groß. Die Inflation weitet sich in den entwickelten Ländern aus. Unter diesem Umstand dürfen wir auf keinen Fall blindes Selbstvertrauen haben. Wir müssen die Reform der Wirtschaft und die finanzielle Reform einschließlich der Struktur der Wirtschaftsregulierung auf der internationalen Ebene weiter voranbringen und auch die Regulierung stärken, damit sich die Wirtschaft gesund und stabil weiterentwickeln kann.
 
Ich weiß: Dieser Prozess ist sehr schwierig. Aber die Welt hat sich schon ein Ziel gesetzt. Das ist eine starke, stabile und nachhaltige Entwicklung. Alle Länder auf der Welt sollen an einem Strang ziehen, miteinander zusammenarbeiten und diese Schwierigkeiten überwinden. Zurzeit möchte ich Europa auch Vertrauen vermitteln. Nur Vertrauen kann alle Schwierigkeiten überwinden. Nur Vertrauen kann die Zusammenarbeit verstärken. Das ist meine Botschaft für alle Anwesenden. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
 
Frage: Frau Bundeskanzlerin, Herr Ministerpräsident, ziehen Sie auch außen- und sicherheitspolitisch stärker an einem Strang? Gibt es seit dem Schulterschluss im Sicherheitsrat der Uno zum Thema Libyen mehr Gemeinsamkeiten, mehr sich einander angenäherte Sichtweisen? Wenn ja, welchen Problemen gelten die?
 
MP WEN: In der Tat habe ich auch Gespräche mit Frau Merkel geführt. Begonnen haben sie gestern Abend. Am gestrigen Abend haben wir intensive Gespräche über internationale Themen geführt. Schwerpunkte waren dabei die Entwicklung im Nahen Osten oder in Nordafrika und außerdem die Situation in Libyen. Ich habe mich dazu wie folgt geäußert:
 
Erstens. Wir haben Respekt vor der selbstständigen, unabhängigen Wahl der Menschen in Nordafrika und in Westasien. Wir glauben, dass die Zukunft eines jeden Landes schließlich von der unabhängigen Entscheidung der Bevölkerung abhängt.
 
Zweitens. Wir hoffen, dass wir gewissenhaft, gründlich und ganz präzise die VN-Resolution 1973 in die Tat umsetzen. Dabei geht es vor allem darum, friedlich und mit politischen Mitteln die Fragen in Libyen zu lösen. Mit einer Intervention von außerhalb kann man wahrscheinlich einen Krieg gewinnen. Aber damit ist man nur schwer in der Lage, Stabilität und Frieden zu gewinnen.
 
Der Irak ist ein Beispiel dafür, und der Nahe Osten ist ein weiteres Beispiel dafür. Das dritte Beispiel ist Afghanistan. Neulich hat US-Präsident Obama eine ganz kluge Entscheidung getroffen, und zwar bis zum nächsten Sommer 35.000 Soldaten aus Afghanistan zurückzuziehen. Das heißt, der Wiederaufbau Afghanistans oder eine stabile Entwicklung in Afghanistan hängen letztendlich von der afghanischen Regierung und von den Afghanen ab. Ich bin mir dessen bewusst, dass dieser Weg äußerst schwierig ist und auf uns schwierige Aufgaben lasten.
 
Bei all diesen Punkten weiß ich, dass Sie, Frau Merkel, Ihre eigenen Ansichten haben. Sie haben auch den Mut, weltweit einen gewissen Druck auf sich zu nehmen. Was regionale Konflikte oder Probleme anbelangt, gibt es Meinungsunterschiede oder unterschiedliche Auffassungen. Diese Dispute sind meines Erachtens ganz normal. Daher hoffe ich, dass wir durch Diskussionen den Sachverhalt klarstellen können, sodass man am Ende zu einem Konsens gelangen kann und auf diese Art und Weise zu Frieden und Stabilität in der ganzen Welt beitragen kann. - Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
 
BK'IN DR. MERKEL: Es ist so, dass, was Libyen anbelangt, die Resolution 1973 eine Resolution ist, die eine Mehrheit im UN-Sicherheitsrat bekommen hat. Alle Mitglieder des UN-Sicherheitsrats sind jetzt dazu aufgerufen - Deutschland natürlich auch -, diese Resolution umzusetzen. Wie es der Premierminister gesagt hat, haben wir sicherlich bei einigen Punkten unterschiedliche Meinungen, so auch bei militärischen Interventionen. Das kann man am Beispiel von Afghanistan erkennen. Aber wir haben gerade gestern darüber gesprochen, dass es jetzt vor allen Dingen darum geht, dass wir den Prozess nach dem Abgang von Herrn Gaddafi in Libyen so gestalten, dass es ein politisch erfolgreicher Prozess wird. Deutschland hat sich mit seinen Partnern in der Nato und der Europäischen Union sehr explizit dafür ausgesprochen, dass Herr Gaddafi die Legitimität verloren hat und dass es jetzt das Beste wäre, wenn man schnell einsehen würde, dass er zurücktreten muss.
 
Wir haben also auch immer wieder unterschiedliche Auffassungen in außenpolitischen Fragen. Wir haben lange über die letzte Iran-Resolution diskutiert. Sicherlich hätte Deutschland sich das etwas schneller gewünscht, aber zum Schluss hat China mitgemacht. So werden wir immer weiter um die Positionen ringen. Es ist klar: China ist ein Land, das ein Vetorecht im UN-Sicherheitsrat hat. Deshalb sprechen wir miteinander. Je mehr gemeinsame Positionen wir haben, umso stärker ist auch der UN-Sicherheitsrat. Trotzdem ist jedes Land ein eigenständiges Land. Deutschland ist ein Bündnispartner in der Nato. Deutschland ist ein Mitglied der Europäischen Union. Diese Bindungen sind für uns natürlich von allergrößter Wichtigkeit, genauso wie China für sich als Land entscheidet, was es außenpolitisch tut und was es nicht tut.
 
Ich glaube, wir fühlen eine gemeinsame Verantwortung für eine vernünftige Entwicklung der Welt, gerade auch im Norden Afrikas. Wir haben gestern auch über die wirtschaftlichen Perspektiven gesprochen, die dort gegeben werden müssen. Diese Region ist von allergrößter Bedeutung für den Frieden auf der Welt insgesamt und für die Freiheit natürlich auch. Insofern werden wir auch in Zukunft viel gemeinsam zu besprechen haben - nicht nur außenpolitisch, sondern auch im Rahmen unserer bilateralen Beziehungen. Herzlichen Dank!
(Quelle:  Regierung online, 28.06.2011)
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