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Auto-Show in Peking:China lässt deutsche Hersteller jubeln

2010-04-24

 

Von Tom Grünweg

Krise in Europa, Flaute in USA, und auch auf der Arabischen Halbinsel läuft's nicht so rund. Nur beim Blick auf China haben unsere Autobosse gut lachen. Denn das Wachstum geht weiter, und die deutschen Dickschiffe sind gefragter denn je. Kein Wunder, dass sie zur Auto China groß auffahren.

Wenn am 23. April in Peking die Auto China ihre Pforten öffnet, wird man in den halben Dutzend Hallen neben schriller Musik und lauten Reden vor allem die deutsche Sprache zu hören bekommen: Auf dem mittlerweile größten Automarkt der Welt, der nach Schätzungen mancher Experten in diesem Jahr noch einmal um 20 Prozent wachsen und am Ende bei rund 16,5 Millionen Zulassungen liegen wird, sehen die deutschen Hersteller gute Chancen. Und selbst wenn Pessimisten recht behalten und es nur zehn Millionen werden, wird es dort besser laufen als auf allen anderen Märkten.

Zwar ringt China-Pionier VW, der 1984 als einer der ersten Importeure ins Land gekommen ist, mit den lokalen GM-Ablegern um die Führungsposition. Doch spätestens, wenn es um die Luxusliga geht, haben andere Marken kaum mehr etwas zu melden.

Denn während die Luxusklasse überall sonst auf der Welt im Sog der Krise lahmt, geht es dort munter aufwärts: Wurden im vergangenen Jahr nach Recherchen des deutschen Branchenverbands VDA knapp 500.000 Premium-Autos verkauft, sollen es 2020 mindestens dreimal so viele sein. Kein Wunder, dass Audi-Chef Rupert Stadler, der hier anders als sonst auf der Welt mit rund 160.000 Zulassungen vor den Erzrivalen BMW und Mercedes liegt, China bereits als "zweite Heimat" der Bayern bezeichnet und auch die anderen Führungskräfte schnell ins Schwärmen geraten: "China ist und bleibt einer der attraktivsten Automobilmärkte der Welt", sagt zum Beispiel BMW-Boss Norbert Reithofer über das Land, das in der Absatzstatistik mit 90.000 Zulassungen bereits auf Rang Vier kommt.

Für Mercedes-Vertriebschef Joachim Schmidt ist China ebenfalls ein Erfolg: Allein in den ersten drei Monaten dieses Jahres haben die Schwaben ihren Absatz verdoppelt und kalkulieren für 2010 nun mit 100.000 Bestellungen.

Reichlich Potential

Um in China erfolgreich zu sein, müssen die Deutschen allerdings ein paar Zugeständnisse machen, die weit über Designvariationen bei der Ausstattung, andere Abstimmungen für die Fahrwerke und den Kampf mit unterschiedlichen Abgasnormen hinausgehen. Zum einen müssen sie die Produktion ihrer Volumenmodelle ins Land verlegen und sich mit lokalen Partnern einlassen, weil die Chinesen ihre eigene Industrie mit extrem hohen Zöllen schützen.

Dem Käufer eines BMW 7er, einer Mercedes S-Klasse oder eines Audi A8 sind viele hunderttausend Yuan Importaufschlag egal. Doch in der Klasse darunter sind auch die Chinesen etwas preissensibler. Deshalb bauen die deutschen Nobelmarken viele Modelle direkt in China. BMW zum Beispiel fertigt Dreier und Fünfer gemeinsam mit Brilliance in Shenyang, Mercedes baut die E-Klasse als "Beijing Benz" vor den Toren von Peking, und bei Audi laufen A4 und A6 vom Band.

Dieses Engagement wollen die Deutschen kräftig ausbauen: Mercedes-Vorstand Schmidt sagt, "der Anteil der lokal produzierten Fahrzeugen wird mittelfristig das Niveau der Importfahrzeuge erreichen" und spricht mittelfristig von bis zu 100.000 Autos. BMW-Chef Reithofer geht sogar noch weiter: Er plant in direkter Nachbarschaft von Shenyang ein zweites Werk, mit dem BMW die Produktionskapazität schon jetzt auf 100.000 Autos im Jahr steigert. "Langfristig sehen wir für beide Werke zusammen je nach Marktentwicklung sogar ein Potential von 300.000 Autos", sagt Reithofer und denkt dabei vor allem an den kleinen "Geländewagen X1" , der ab 2012 "eines der ersten Produkte für das neue Werk sein könnte."

In China will der Kunde mehr Platz

Das zweite Zugeständnis an die chinesischen Kunden ist ein überdurchschnittliches Raumangebot: Weil sie lieber hinten rechts als vorne links sitzen, sind Langversionen besonders gefragt: Neun von zehn Limousinen der Mittel- und Oberklasse haben einen verlängerten Radstand, sagen die Marktforscher von Mercedes und tragen dieser Entwicklung jetzt endlich Rechnung: Während Audi schon seit vielen Jahren einen gestreckten A6 und seit 2009 sogar einen verlängerten A4 anbietet und BMW die Kundschaft mit einem XL-Fünfer ködert, mussten Schwaben bislang passen.

Pünktlich zur Messe in Peking gibt es jetzt auch die E-Klasse in der Langversion, und die kommt mit 14 zusätzlichen Zentimetern fast an die S-Klasse heran. Auch BMW nutzt die Gunst der Stunde und zeigt in Peking nur wenige Wochen nach der Weltpremiere des Fünfers bereits die Neuauflage der Stretchversion. Außerdem schickt Audi den A8 auf die Streckbank und zeigt in Peking die einzige neue Langversion, die man zum Jahresende auch bei uns kaufen kann.

Das Flaggschiff der Bayern wächst dabei um 13 Zentimeter auf 5,27 Meter und bekommt auf Wunsch einen feudalen Ruhesessel im Fond, für den man aus der Rücklehne des Vordermanns sogar elektrisch eine Fußstütze ausfahren kann. Zeitgleich debütiert bei den Bayern auch ein weiterentwickelter Zwölfzylinder. Der auf 6,3 Liter gewachsene Motor mit dem unkonventionellen W-Aufbau wurde auf Direkteinspritzung umgerüstet und leistet nun 500 PS. Weil zudem die neue Achtgang-Automatik zum Einsatz kommt, geht der Verbrauch allerdings um zwölf Prozent auf zwölf Liter zurück.

Überarbeiteter VW Phaeton

Ebenfalls eine Peking-Premiere hat Porsche im Gepäck. Nachdem die Schwaben vergangenes Jahr in Shanghai zum ersten Mal den neuen Panamera gezeigt haben, stehen jetzt in der Hauptstadt die ersten Sechszylinder-Varianten des vornehmen Sportlers: Durch den Verzicht auf zwei Zylinder sinkt zwar die Leistung auf 330 PS, doch fällt auch der Einstiegspreis um etwa 20.000 auf 75.899 Euro.

Noch einmal einen großen Auftritt haben im Reich der Mitte auch zwei deutsche Sorgenkinder im Smoking, die hierzulande im schweren Gegenwind fahren. Denn weder den Maybach noch den VW Phaeton kann man ernsthaft als Erfolgsmodell bezeichnen. Auf der Messe beweisen die Entwickler beider Marken, wie man solche Modelle mit wenig Geld und kleinem Aufwand noch einmal auffrischen kann. Für den Antrieb gibt es jeweils nur Feintuning, und das Design wird lediglich retuschiert.

Doch zumindest auf der Ausstattungsliste finden sich jetzt ein paar neue Extras. Sie reichen von der Online-Navigation mit Sonderzielen von Google im Phaeton bis zu einem 19-Zoll-Fernseher vor den Liegesitzen des Maybach. Mitteleuropäer werden über solch eigenwillige Extras geflissentlich den Kopf schütteln. Doch wo man wie in Peking täglich länger im Stau als am Schreibtisch sitzt, sieht man das naturgemäß ein bisschen anders.

(Quelle: Spiegel online, 22.04.2010)

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