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China sagt statt Genosse jetzt Herr und Frau

2010-06-08

Von Johnny Erling

Ergraute Chinesen, die beim Bus fahren Mao-Jacken tragen, haben noch das Anrecht, "Tongzhi" ( Genosse) gerufen zu werden. Alle anderen Passagiere dürfen sich das verbitten. Nach 30 Jahren Marktwirtschaft schafft Pekings Öffentlicher Nahverkehr als erste staatliche Institution die Unsitte ab, unisono die Fahrgäste mit dem Anruf „Genossen" zu verprellen. Sie sollen nicht nur höflich begrüßt werden, „Bitte" und „Danke" hören, sondern auch als „Herr" (Xiansheng), Dame (Nüshi, Xiaojie) oder neutral als „Fahrgast" (Chengke) angesprochen werden. Ein Jugendlicher und ein Kind seien „Mitschüler" oder „kleiner Freund", ein älterer Mitbürger ein „ehrwürdiger alter Meister" oder „alter Herr".

Die Rückkehr konfuzianischer Traditionen und der formalen Höflichkeit in alle Winkel der chinesischen Gesellschaft spiegelt sich auch im neuen Leitfaden für die „Regelungen zur zivilisatorischen Ansprache" für die Passagiere von Bussen und Bahnen wider. Das verpönte Wort Genosse „ stimmt mit heutigen Dienstleistungs-Standards nicht überein", heißt es in der Busfahrverordnung. Vom jahrzehntelangen Platz Eins rutscht die Anrede auf die allerletzte Stelle im Leitfaden, wenn es um erkennbar gestrige Zeitgenossen geht. Diese dürfen ausnahmsweise als „ehrwürdige Genossen- oder Genossinnen" angesprochen werden. Süffisant titelten Zeitungen wie die Pekinger Morgenpost: „Die Genossen entschwinden im öffentlichen Verkehr aus dem zivilisierten Sprachgebrauch."

(Quelle: die Welt, 04.06.2010)

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