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Die Angst der deutschen Wirtschaft vor dem Investor aus China

2013-11-06
Unternehmer aus dem Reich der Mitte kaufen zunehmend Firmen in Nordrhein-Westfalen. Belegschaften und Kleinunternehmen sind beunruhigt, doch die Politik versucht, die Sorgen zu zerstreuen. Von

Sie kämen, um zu plündern: Know-how, Technologie, manchmal ganze Anlagen – Chinas Investoren kaufen sich in deutsche Unternehmen ein, beuten sie aus und hinterlassen Ruinen und Arbeitslose.

Ungefähr so dächten manche Deutsche über chinesische Investoren, seufzte Xiangui Zhang, der Geschäftsführer des chinesischen Wisco-Stahlkonzerns. Und das, so rief er fast beleidigt in den Saal, sei natürlich völlig unzutreffend. Kaum hatte er diese Sätze den 700 überwiegend chinesischen Zuhörern mitgeteilt, prasselte ein fast demonstrativer Applaus los. Als wollten die Chinesen ausrufen: Wir kommen doch als Freunde!

Tun sie das? Um diese Frage ging es beim Kongress über die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der Volksrepublik und NRW in Düsseldorf. Wobei dort kein Zweifel über die Antwort aufkam. Vom Unternehmer Zhang bis zu Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) gaben sich alle überzeugt, dass chinesische Investoren NRW guttäten.

 NRW-Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) gibt sich hinsichtlich der zunehmenden Investoren aus China gelassen. Seine Botschaft lautet, dass "NRW vom Aufstieg der Wirtschaftsmacht China profitiert"

 Duin zieht derzeit fast wie ein Prediger mit seiner Botschaft durchs Land, dass "NRW vom Aufstieg der Wirtschaftsmacht China profitiert", wie er auch auf dem Kongress beteuerte. Wenn Chinesen in NRW Unternehmen kauften, wenn sie sich beteiligten oder Tochtergesellschaften gründeten, sei das keine Bedrohung. Deshalb müsse man "die Chinesen herzlich willkommen heißen". Und weil es Duin damit ernst ist, brach er in die Volksrepublik auf, um dort noch mehr Investoren für NRW zu gewinnen.

Skepsis an der Basis

Er weiß allerdings um die Widerstände, die sich ihm in NRW entgegenstemmen: um die Skepsis unter Belegschaften und Kleinunternehmern. Dort begegnet auch China-Expertin Yi Sun von der Beratungsgesellschaft Ernst & Young immer wieder der Sorge, die Käufer aus Fernost wollten Jobs vernichten, Know-how absaugen und eine herbe Unternehmenskultur installieren. Dass diese Skepsis mancherorts in handfeste Angst übergeht, kann angesichts der Kauflust chinesischer Investoren kaum verwundern.

Denn die stürmen regelrecht gen Europa, insbesondere nach Deutschland und hier vor allem nach NRW. Nirgendwo in Europa legen Festlandchinesen mehr Geld an. Entweder als Eigentümer oder einflussreiche Teilhaber. Wobei sich dieser Trend von Jahr zu Jahr beschleunigt. Rund zwei Drittel der von Chinesen aufgekauften deutschen Unternehmen wechselten erst nach 2010 den Eigentümer.

Inzwischen sind rund 800 chinesische Firmen in NRW angesiedelt, insbesondere in den Branchen der Autozulieferer und Maschinenbauer. Vor einem Jahrzehnt waren es erst 100. Allein 2013 kamen 49 Firmen dazu. 2011 investierten Chinesen 101 Millionen Euro in NRW, 2005 waren es erst 22 Millionen.

Hotspot Nordrhein-Westfalen?

Diese Dynamik lässt Duin jubeln, NRW sei "auf dem Weg zu dem Standort für chinesische Firmen in Europa". Auch Expertin Yi Sun bestätigt, NRW sei "als Wirtschaftsmotor der Republik mit seinen Industrie- und Stahlkonzernen für Chinesen ein Hotspot in Deutschland", was auch alle Umfragen bewiesen.

Aber tut das dem sogenannten "Hotspot" gut? Bislang schon. Zu diesem Ergebnis kamen zuletzt Studien der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC), der Bertelsmann-Stiftung und der DGB-nahen Böckler-Stiftung. Laut PwC-Studie von 2012 sahen über 70 Prozent der Manager ihren von Chinesen übernommenen Betrieb auf stabilem Wachstumskurs. Jeder Dritte vermeldete Personalzuwachs, nur jeder Siebte Personaleinschnitte.

Dazu passen die letzten Meldungen von Unternehmern aus Fernost in NRW. Der Baumaschinenhersteller XCMG eröffnete letzte Woche seine Europa- und Forschungszentrale in Krefeld, der Stahlkonzern Wisco verkündete, er werde von NRW aus neue Märkte in Brasilien und Indien erobern, und Huawei, einer der weltgrößten Kommunikationsausrüster, will seine Europazentrale in Düsseldorf ausbauen. Vor dessen Technik warnt allerdings der US-Kongress, sie könne als "Einfallstor für chinesische Spionage" dienen.

Offenkundig wollen sich die Investoren also längerfristig in NRW einrichten. Dafür spricht, dass NRW einiges zu bieten hat, was zu langfristigem Engagement lockt. In Umfragen preisen chinesische Unternehmer stets die hohe Qualifikation der Arbeitskräfte, etwa der Absolventen von der RWTH Aachen, zudem wird die zentrale Lage von NRW geschätzt (im Umkreis von 500 Kilometern erreicht man 155 Millionen Menschen).

 

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Chinesen zahlen für "Made in Germany"

Und dann gibt es da noch einen vermeintlichen Qualitätsnachweis namens "Made in Germany". Die psychologische Bedeutung dieses Aufdrucks erläuterte in Düsseldorf Suoyun Li, der Vize-Präsident von XCMG. Chinas Konsumenten seien oft sehr skeptisch, wenn ein Auto spottbillig und "Made in China" sei, erklärte Li. Der niedrige Preis wirke geradezu als Kaufhindernis. Stehe auf dem Produkt aber "Made in Germany", werde auch ein preiswertes Auto vertrauenswürdig und somit kaufbar.

Nun ist es nicht nur laut Experten der Beratergesellschaft McKinsey Ziel der Chinesen, hierzulande Marktmacht aufzubauen. Doch das treibt Wirtschaftsminister Duin keine Sorgenfalte auf die Stirn. Von Marktmacht könne schon wegen der bisherigen Größenordnung chinesischer Investitionen keine Rede sein, meint Duin. Und verweist auf Fakten: In NRW wurden durch chinesische Unternehmen bislang 7800 Arbeitsplätze gesichert oder geschaffen – bei knapp 8,6 Millionen erwerbstätigen Nordrhein-Westfalen. Insgesamt legten die Chinesen 2011 nur 101 Millionen Euro direkt an. Zum Vergleich: Japaner investierten 2011 rund 5,6 Milliarden Euro.

In Umfragen unter chinesischen Investoren wird fast immer ein weiteres Argument für den Standort NRW benannt: Er beheimatet technisch exzellente, aber erschwingliche Weltmarktführer. Hier bekommt man also technisches Wissen zu akzeptablem Preis. Diese Wertschätzung für NRW führt zu einer von niemandem bestrittenen Einsicht: Mit den chinesischen Beteiligungen und Übernahmen fließt Know-how gen Osten.

Am Verlust verdienen

Auf dem Düsseldorfer Kongress wurde dieser (aus deutscher Sicht) Verlust an exklusivem Wissen aber gelassen betrachtet. Schließlich könne sich der Wissenstransfer auf zweierlei Weise vollziehen: Entweder indem der Interessent die Technik kopiert und dafür gar nichts zahlt oder indem er zu beidseitigem Nutzen investiert. Vor diese Wahl gestellt, sei es allemal besser, eine lukrative Zusammenarbeit zu beschließen.

Gerade NRW-Firmen dürfte deshalb noch manch gutes Geschäft mit chinesischen Unternehmen gelingen, davon ist man im Wirtschaftsministerium überzeugt. Schließlich sind umweltfreundliche Techniken im Bergbau oder Häuserbau für die von Umweltverschmutzung gebeutelte Volksrepublik existenziell notwendig.

Ein Beispiel: In 50 Jahren wird es in China doppelt so viele Wohnungen geben wie heute. Wer für diese gigantische Bauwelle die nötige energieeffiziente Technik liefert, darf sich glücklich schätzen.

Und Duin würde gerne hiesige Unternehmen zu solchen Glückspilzen machen. Jedenfalls erinnert er dieser Tage in China daran, dass NRW-Unternehmen beim umweltfreundlichen Kohlebergbau und bei der Energieeffizienz zur Weltspitze zählen. Auf dem Kongress war auch zu hören, chinesische Firmen hätten bereits bei diesen NRW-Unternehmen angeklopft.

Andere Unternehmenskulturen

Eine Sorge schürten mehrere chinesische Unternehmer in Düsseldorf allerdings selbst: die vor einer gnadenlosen Unternehmenskultur. In den Ohren von Betriebsräten musste es alarmierend klingen, als die Unternehmer aus Asien über die Sitten deutscher Arbeitskräfte lamentierten. Irritierend fanden sie unter anderem das exzessive Urlaubnehmen deutscher Arbeitskräfte oder ihre Neigung, die Freizeit an Abenden und Wochenenden eisern zu verteidigen.

Auch ein sonderbares Phänomen namens "Brückentage" kam den Chinesen höchst gewöhnungsbedürftig vor. Ebenso wie die bei deutschen Mitarbeitern ausgeprägte Tendenz, über Anweisungen zu diskutieren. Gleich darauf beschwichtigten die Chinesen aber, sie würden selbstverständlich deutsches Recht und die hiesige Unternehmenskultur achten.

Dieses Versprechen allein dürfte Skeptiker kaum überzeugen. Doch gegenüber dieser Zeitung meldete sich nun ein denkbar glaubwürdiger Zeuge zu Wort: der DGB-Landesvorsitzende Andreas Meyer-Lauber. Natürlich gebe es Unterschiede zwischen chinesischer und deutscher Unternehmenskultur, für Chinesen gebe "es da viel Neues zu verarbeiten", meint er.

Aber: "Nach allen vorliegenden Informationen" gingen Chinesen wirklich "sehr respektvoll mit der hiesigen Unternehmenskultur um." Sogar die Mehrheit der Betriebsräte sei laut Untersuchung der DGB-nahen Böckler-Stiftung "sehr zufrieden" mit Chinesen in ihrer Führungsetage. Jedenfalls bisher.

(Quelle: die Welt, Autor R.Stoldt 21.10.2013)

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